Im Inneren des Aletschgletschers herrscht nicht etwa eisige Stille, sondern es rumpelt ununterbrochen. Schweizer Forscher haben ihn dabei belauscht.
Starr und unbeweglich wirken die Eismassen von Gletschern. Doch der Schein trügt: «Das Eis ist ständig in Bewegung», sagt Eduard Kissling, Erdbebenforscher an der ETH Zürich. Grosse Gletscher können bis zu einen Meter pro Tag fliessen. Auch im Aletschgletscher drängt das Eis kontinuierlich talabwärts. Der längste Gletscher der Alpen ist an seiner mächtigsten Stelle mehr als 400 Meter dick. Kissling und der ETH-Glaziologe Fabian Walter haben vergangenen Winter auf seiner Oberfläche Messgeräte installiert, sogenannte Seismografen. Diese registrieren normalerweise Stösse, die durch Erdbeben verursacht werden. Doch die Forscher wollen damit etwas anderes messen: Kleine Beben im Eis.
Diese entstehen, wenn Buckel im Fels oder andere Hindernisse die Bewegung des Gletschers aufhalten. Wird der Druck durch nachschiebendes Eis zu gross, löst sich die Spannung an der Unterseite mit einem Ruck. «Das können wir als sogenannte tiefe Eisbeben messen», sagt Kissling. Mit sechs Messgeräten registrierten die Forscher pro Tag mehrere solcher Beben. Diese sind für Menschen auf dem Eis nicht wahrnehmbar.
Sie liefern jedoch wertvolle Informationen: Aus den Messungen, welche seit wenigen Wochen abgeschlossen sind und nun ausgewertet werden, erhalten die Forscher Hinweise auf die Fliessgeschwindigkeit in den tiefer liegenden Schichten des Gletschers. Diese liess sich bisher nur ungenau bestimmen.
Schmelze beeinflusst Klima
Informationen darüber sind jedoch wichtig, um berechnen zu können, wie schnell die Gletscher sich vorwärts bewegen und abschmelzen. Und das wiederum hat einen Einfluss auf das künftige Klima. Der Aletschgletscher selbst spiele dabei zwar nur eine sehr kleine Rolle, aber: «Wir können an seinem Beispiel grundlegende Prozesse untersuchen, die sich auch auf grosse Eismassen wie etwa in Grönland übertragen lassen». Deren Abschmelzen beschleunigt den Klimawandel. Auch in Grönland haben die Forscher bereits Messungen mit Seismografen durchgeführt, sodass sie nun ihre Ergebnisse vergleichen können.
Um ihre Daten zu verfeinern, wollen sie nächstes Jahr weitere Messgeräte am Aletschgletscher installieren. Diesmal allerdings tief in seinem Inneren, um näher an die Quelle der Beben heranzukommen. Dazu werden mit heissem Wasser Bohrlöcher ins Eis geschmolzen, die bis in 400 Meter Tiefe reichen sollen. Die Forscher hoffen, dass die Erkenntnisse dazu beitragen werden, Modelle für Klimaprognosen zu verbessern.
Keine Kommentare