Mit einem motorisierten Rollstuhl, der Treppen steigen kann, will das Team der Hochschule Rapperswil am Cybathlon antreten. Eigentlich haben die Entwickler viel zu spät mit der Arbeit angefangen. Trotzdem werde man für Überraschungen sorgen, sagt Projektleiter Christian Bermes.
Herr Bermes, was ist so besonders an dem Rollstuhl, mit dem Ihr Team am Cybathlon antreten will?
Er ist speziell auf den Wettkampf und unseren Piloten Florian Hauser zugeschnitten. Bei der Entwicklung haben wir uns nicht so sehr von der Frage leiten lassen, was alltagstauglich wäre, sondern was es braucht, um die Hindernisse im Parcours zu bewältigen. Wir haben erst letzten Dezember mit dem Projekt begonnen. Das ist unfassbar wenig Zeit. Aber wir wollen unbedingt dabei sein.
Warum?
Ich lasse mich gerne herausfordern, deshalb fand ich zunächst einmal die Idee des Cybathlon spannend. Zuvor hatte ich sehr wenig Kontakt zu Menschen mit körperlicher Behinderung. Aber dadurch, dass ich Florian so gut kennengelernt habe, sehe ich, welchen Hürden Menschen mit körperlicher Behinderung im Alltag begegnen. Sie zu bewältigen scheitert meist nicht am Willen der Person, sondern daran, dass es keine anständigen technischen Lösungen gibt. Für mich als Ingenieur ist es etwas vom Schönsten, wenn ich die Lebensqualität von Menschen verbessern kann.
Wie schätzen Sie die Chancen auf einen Sieg ein?
Nicht schlecht. Wir haben einen sehr mutigen Piloten, der bisher vor keinem Hindernis zurückgeschreckt ist und auch mal Vollgas geben kann. Aber Mut ist nicht alles. Gewinnen wird dasjenige Team, welches die beste Kombination aus Pilot und Technik hat. Denn das eine geht nicht ohne das andere. Ich glaube, dass unsere Technologie da einiges leisten kann.
Hat der Cybathlon jetzt schon die Entwicklung neuer Rollstühle angekurbelt?
Das zu beurteilen ist noch etwas zu früh. Was mich begeistert, ist die Fülle der verschiedenen Lösungsansätze. Aus dem Wettkampf wird zwar nicht zwingend ein marktreifes Produkt herauskommen. Aber wir werden sehr interessante Teillösungen sehen, beispielsweise bei den Rollstühlen, die so wie unser Modell Treppen steigen können. Diese stellen heute immer noch ein unüberwindbares Hindernis für Rollstuhlfahrer dar.
Warum gibt es bisher keine treppensteigenden Modelle zu kaufen?
Ich glaube nicht, dass es an der Technik scheitert. Aber eventuell ist der Markt zu klein, weshalb sich der grosse Aufwand in der Produktentwicklung für die Hersteller nicht lohnt.
«Wir sind das Jamaika Bobteam am Cybathlon»
Werden Sie nach dem Cybathlon an Ihrem Rollstuhl weiterarbeiten?
Das wäre schön, aber soweit denken wir im Moment noch nicht. Wir wollen es erstmal entgegen einiger Prognosen schaffen, überhaupt teilzunehmen. Wir sind das Jamaika Bobteam am Cybathlon. Weil wir so spät mit der Entwicklung begonnen haben, hat anfangs kaum jemand geglaubt, dass wir so weit kommen werden. Aber ich denke, dass wir sogar für ein paar Überraschungen sorgen werden. Derzeit arbeiten wir mit Hochdruck, noch eine neue Version zu bauen, weil die jetzige nicht wendig genug ist, um den Slalom-Parcours zu fahren.
Ein sportlicher Zeitplan!
Stimmt, aber wir sind es in letzter Zeit gewohnt, sportlich zu agieren. Dadurch haben wir so viel Selbstvertrauen getankt, dass es uns jetzt normal vorkommt, im letzten Moment noch einen neuen Rollstuhl zu bauen. Ich bin optimistisch, dass es klappt. Alle im Team sind extrem motiviert. Ich muss sogar aufpassen, dass sie sich zwischendurch auch mal schlafen legen.
Der Cybathlon
Am Cybathlon, der kommenden Samstag in Kloten stattfindet, messen sich körperbehinderte Athleten aus 25 Ländern in sechs Disziplinen. Neben einem virtuellen Rennen mit Gedankensteuerung gibt es Parcours mit robotischen Exoskeletten, motorisierten Rollstühlen, Arm- und Beinprothesen sowie ein Fahrradrennen mit elektrischer Muskelstimulation. Anders als bei den paralympischen Spielen stehen nicht sportliche Höchstleistungen im Vordergrund, sondern die Anwendung robotischer Hilfsmittel im Alltag.
8. Oktober, Swiss Arena Kloten, www.cybathlon.ethz.ch
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