Dinosaurier führten Paarungstänze auf – das meinen Forscher aus Fussstapfen zu lesen. Wie solche Erkenntnisse zustande kommen und ob sie plausibel sind, erklären zwei Experten.

 

So soll der Liebestanz der Dinosaurier ausgesehen haben. Foto: University of Colorado Denver

Die Erde muss heftig gebebt haben. Der kolossale Dinosaurierbulle wirft den Kopf in den Nacken, stösst einen kehligen Ruf aus und scharrt mit den Hinterfüssen auf dem Boden. Mit diesem Liebestanz umgarnt er das Weibchen seiner Wahl.

 

So oder ähnlich sollen Saurier aus der Gruppe der Theropoden Paarungstänze aufgeführt haben. Das jedenfalls legt der Paläontologe Martin Lockley von der Universität von Colorado Denver in einem kürzlich publizierten Forschungsbericht nahe. Doch worauf er seine Behauptung stützt, ist wenig: ein paar Millionen Jahre alte Kratzer im Stein. Weitere Informationen wie etwa fossile Knochen gibt es nicht.

 

Auch das kleinste Detail ist wichtig

Aus Kratzern auf einen Paarungstanz schliessen: Ist das nicht etwas viel der fantasievollen Interpretation? «Das ist oft so in der Dinosaurierforschung», sagt Christian Meyer, Paläontologe und Direktor des Naturhistorischen Museums Basel, der schon seit rund vierzig Jahren Saurierspuren erforscht und interpretiert. «Dennoch können wir aus wenigen Hinweisen oft verblüffend viel herauslesen.» Meist muss ein Fussabdruck, ein Knochenfossil oder ein Häufchen versteinerter Dinokot genügen. «Doch um eine wirklich plausible Interpretation machen zu können», sagt Meyer, «muss man den Fund bis ins kleinste Detail untersuchen.»

 

US-Forscher um Martin Lockley (im Bild rechts) haben den Liebestanz der Dinosaurier anhand von Fussabdrücken rekonstruiert. Foto: University of Colorado Denver

Bei einem Fussabdruck möchten Forscher meist zuerst herausfinden, welches Tier ihn hinterlassen hat. Dafür reicht es nicht, nur den Abdruck selbst zu untersuchen. Wichtig sind auch die darin enthaltenen Indizien wie Mikroorganismen, Pollen, Vulkanasche und sogar der umliegende Boden. «Hier finden wir oft eine Art von Zeitmarken, die uns sagen, wann ein Tier ungefähr gelebt haben muss», sagt Meyer.

 

Mathematik hilft den Forschern

Um einen Fund in die Erdgeschichte einzuordnen, verwenden Paläontologen sogenannte Leitfossilien: versteinerte Lebewesen, von denen bekannt ist, wann sie gelebt und wie sie sich in der Evolution verändert haben. Häufig sind das versteinerte Tintenfische, auch bekannt als Ammoniten. Mit deren Hilfe lässt sich eingrenzen, wann eine Fussspur entstanden sein muss. Das macht es einfacher, das dafür verantwortliche Tier zu bestimmen.

 

An einer Fussspur lässt sich sogar ablesen, wie der Dinosaurier gebaut war – selbst wenn keine Knochen bei dem Abdruck gefunden wurden. Hier hilft Mathematik. So weiss man bei Vierfüssern beispielsweise, dass die Fusslänge mal vier gerechnet etwa der Hüfthöhe eines Tieres entspricht. Diese Methode hat Meyer bei Spuren eines Echsenfussdinosauriers bei Moutier im Kanton Bern angewandt. Da die Länge des Hinterfusses 1,20 Meter betrug, muss der Saurier eine Hüfthöhe von 4,80 Metern aufgewiesen haben.

 

Spuren können jedoch nicht über den ganzen Körperbau Auskunft geben. «Wie lang Hals oder Schwanz des Sauriers waren, darüber kann man ohne Zusatzinformationen nur fantasieren», sagt Meyer.

 

Starke Kiefer zum Fleischfressen

Gibt es aber auch versteinerte Überreste, können Forscher Rückschlüsse auf den Körperbau sowie auf den Speiseplan der Dinosaurier ziehen. Dafür greifen sie auf modernste Technik zurück: zum Beispiel 3D-Scans. Damit lässt sich beispielsweise ein Computermodell eines fossilen Saurierschädels erstellen. Dieses wird ergänzt mit mikroskopischen Daten zu Struktur und Dichte der Knochen.

 

Die Tiefe der Spuren wird in der fotogrammetrischen Aufnahme in Farbstufen dargestellt ( je blauer, desto tiefer). University of Colorado Denver

Anschliessend berechnet ein Programm, an welchen Stellen der Kauapparat wie viel Druck aushält. «Nur wenn ein Kiefer grossem Druck standhält, ist es möglich, dass er Beute in der Grösse eines Kalbs zermalmen konnte», sagt Meyer. Die Technik wurde beispielsweise am Schädel des Raubsauriers Tyrannosaurus Rex angewandt.

 

Moderne Technik kommt auch dann zum Einsatz, wenn kein Fossil gefunden wird, sondern nur ein Fussabdruck. Um ihn interpretieren zu können, sind Vergleiche mit bekannten Spuren wichtig. Doch diese sind oft auf der ganzen Welt verteilt. Hier hilft den Paläontologen der 3D-Druck. So können sich beispielsweise Schweizer Forscher online den digitalisierten Abguss eines Fussabdrucks aus Japan bestellen, diesen als dreidimensionale Kopie ausdrucken und mit einer lokalen Spur vergleichen. So können sie unter anderem feststellen, ob die Spuren von derselben Saurierart stammen.

 

Gut getarnt oder schillernd bunt

Doch so viele Details die Forscher über längst ausgestorbene Lebewesen herausfinden können, einiges wird immer ein Geheimnis bleiben – zum Beispiel die Farbe. «Da Haut oder Federn nicht versteinern können, weiss man auch nicht, wie ein Saurier wirklich aussah», sagt Meyer. Zwar seien die Nuancen, in denen sie heute häufig dargestellt werden, wahrscheinlich – aber bei weitem nicht sicher. «In der Natur dienen Farben oft entweder der Tarnung oder dem Beeindrucken von potenziellen Sexualpartnern», sagt Heinrich Mallison, Paläontologe an der Universität Berlin. Weil die Forscher wissen, wie die Landschaft zur Dinozeit ungefähr aussah – grosse, grüne Pflanzen und lehmigbrauner Boden –, nimmt man an, dass auch die Tiere in Grün und Braun gefärbt waren. Ob Dinos aber auch auffälligere Farbpartien hatten, zum Beispiel um Weibchen anzulocken, ist laut Mallison Spekulation.

 

Für plausibel hält er hingegen, dass Dinosaurier Paarungstänze aufgeführt haben. Denn das tun auch Vögel, insbesondere Hühner. «Und sie sind die nächsten noch lebenden Verwandten der Dinosaurier», sagt Mallison. Andere mögliche Ursachen der Spuren wie Nestbau oder einen Kampf hält er für weniger wahrscheinlich. Denn dafür fanden die Forscher aus Colorado keine Indizien wie Überreste eines Nests oder eines toten Sauriers. Doch ob die Spuren tatsächlich von einem Tanz stammen, wird nie abschliessend geklärt werden. Denn wie plausibel eine Interpretation auch sein mag, sie bleibt immer eine Möglichkeit.

 

Deborah von Wartburg 

 

 


Keine Kommentare

Comments are closed.