Neue 3-D-Verfahren verändern die Herstellung von Produkten grundlegend. Doch für die Serienproduktion taugen sie nur bedingt.

 

Ein Werkstück entsteht ohne Gussform und Fräsmaschinen, nur durch das Verschmelzen von Metallpartikeln mithilfe eines Lasers.

Ein Werkstück entsteht ohne Gussform und Fräsmaschinen, nur durch das Verschmelzen von Metallpartikeln mithilfe eines Lasers. Foto: Trumpf GmbH

Er werde die Wirtschaftsw elt und die Industrieproduktion revolutionieren: Das prophezeiten Experten vor wenigen Jahren dem 3-D-Druck. Die Aktienkurse von Herstellern industrieller 3-D-Drucker wie Stratasys und 3D Systems schossen in die Höhe. Doch vor etwa zwei Jahren kippte der Trend – die Kurse gingen auf Talfahrt. Die Revolution ist ausgeblieben. «Viele Firmen experimentieren zwar mit den neuen Technologien», sagt Christian Leinenbach, Materialforscher an der Empa in Dübendorf. Doch bisher werden diese vor allem eingesetzt, um Prototypen herzustellen und zu testen. Der Sprung in die Serienproduktion gelang erst in wenigen Fällen. Zu teuer, zu langsam und zu fehlerbehaftet seien die neuen Verfahren, sagen Kritiker. Und bezweifeln deshalb, dass diese die herkömmlichen Methoden künftig ablösen können. «Das ist gar nicht das Ziel», sagt Chemiker Manfred Schmid von Inspire, einem Schweizer Technologietransfer-Zentrum.

 

Denn bei vielen Produkten sind herkömmliche Verfahren den 3-D-basierten nach wie vor überlegen. «Eine PET-Flasche beispielsweise wird nie mit 3-D-Druck hergestellt werden», sagt Schmid. Denn dieser ist bei simplen Formen und millionenfachen Stückzahlen viel zu teuer. Überlegen ist er hingegen bei Serien von einigen Hundert oder Tausend Stück und der Herstellung komplexer Formen. «Hier wird sich der neue Ansatz durchsetzen», ist Schmid überzeugt.

 

Leichtere Bauteile für die Luftfahrt

Mit 3-D-Druck lassen sich verschiedenste Dinge wie Schmuck, Prothesen, Flugzeugteile oder ganze Häuser herstellen. Jedoch haben die industriell eingesetzten Geräte wenig mit einem 3-D-Drucker für den Hausgebrauch zu tun. Zudem kommen sehr unterschiedliche Materialien zum Einsatz: neben Kunststoff auch Metalle oder Keramik. Daher benutzen Fachleute statt «3-D-Druck» lieber den Begriff «additive Fertigung».

 

Die darunter zusammengefassten Verfahren unterscheiden sich grundlegend von bisherigen industriellen Techniken. Früher musste man beispielsweise für die Herstellung eines bestimmten Flugzeugbauteils einzelne Stücke aus einem Block Metall herausfräsen, -schleifen oder -bohren und anschliessend zusammenfügen. Anders bei der additiven Fertigung. Das gewünschte Produkt wird in einem ganzen Stück in Schichten aufgebaut, beispielsweise aus Metallpulver und mithilfe eines Lasers (siehe Infografik). «So kann man Formen erzeugen, die mit herkömmlicher Fertigung unmöglich sind», sagt Leinenbach.

Ein neuartiger kabinenhalter (vorne) spart in Flugzeugen Gewicht und damit Treibstoff. Airbus Operations GmbH

Ein neuartiger kabinenhalter (vorne) spart in Flugzeugen Gewicht und damit Treibstoff. Foto: Airbus Operations GmbH

Zum Beispiel lassen sich in ein Bauteil Hohlräume einfügen. Dies reduziert das Gewicht, was besonders in der Luft- und Raumfahrtbranche von grossem Nutzen ist. Der Hersteller Airbus verbaut in seinen Flugzeugen bereits seit 2014 eine Kabinenhalterung, die mit additiver Technologie aus Titan gefertigt wird.

 

Das neue Teil ist um ein Drittel leichter als das herkömmlich hergestellte. Das macht bei Flugzeugen viel aus: Ein Kilogramm weniger Gewicht spart 30 Tonnen Kerosin pro Jahr. Airbus will darum immer mehr Bauteile so verschlanken. Letzte Woche hat die Firma ein neues Werk in Deutschland eröffnet, das Teile einer Treibstoffleitung herstellen wird. Auch Firmen wie Siemens oder die Triebwerkhersteller Rolls-Royce und General Electric produzieren erste Bauteile mit additiven Techniken.

 

Selbst Bauteile von Flugzeugturbinen werden bereits mit 3-D-Verfahren hergestellt. © Rolls-Royce PLC

Selbst Bauteile von Flugzeugturbinen werden bereits mit 3-D-Verfahren hergestellt. Foto: Rolls-Royce PLC

Neue Materialien sind gefragt

«Additive Fertigung steht an der Schwelle zur Serienproduktion», glaubt Empa-Forscher Leinenbach. Damit sich die Technologie aber durchsetzen kann, gelte es noch viel zu verbessern. Unter anderem mangelt es an geeigneten Materialien, etwa bestimmten Metalllegierungen oder Kompositen.

 

«Bisherige Materialien sind oft völlig ungeeignet», sagt Leinenbach. Grund dafür sind die Verarbeitungsprozesse. Schmilzt man beispielsweise ein Metallpulver mithilfe eines Lasers, wird dieses stark erhitzt und erkaltet dann schlagartig. Dadurch verändern sich die Eigenschaften des Ausgangsmaterials. Das kann aber auch Vorteile haben: Forscher der Empa machen sich solche Prozesse zunutze, um Materialien mit neuen Eigenschaften zu erzeugen (siehe Infobox).

Infografik. Vergleich der traditionellen Fertigungstechnik mit 3D-Druck. Grafij: Dissoid.

Infografik. Vergleich der traditionellen Fertigungstechnik mit 3D-Druck. Grafik: Dissoid.

«Auch bei den Maschinen und der Prozesssicherheit besteht noch Entwicklungsbedarf», betont Manfred Schmid. Die grösste Hürde sieht er jedoch anderswo: «Die meisten Konstrukteure in den Firmen haben noch die alten Techniken im Kopf, mit den Möglichkeiten von additiver Fertigung sind sie zu wenig vertraut.» Diese erlauben jedoch viel mehr Gestaltungsfreiheit. Deshalb müssten sie auch bei der Ausbildung des Nachwuchses stärker berücksichtigt werden. Bis aber das nötige Know-how in den Firmen ankomme, werde es noch einige Jahre dauern. «Additive Fertigung ist keine Revolution», sagt Schmid, «sondern eine Evolution.»

 


3-D-Druck ist noch immer Neuland für Forschung und Industrie

Damit sich additive technologien durchsetzen können, braucht es Lösungen in ganz unterschiedlichen Bereichen:

Umdenken beim Design

Weil die additive Fertigung noch relativ neu ist, kennen viele Ingenieure die Gestaltungsmöglichkeiten nicht. Aber auch Designprogramme sind grösstenteils noch auf die herkömmlichen Herstellungsverfahren ausgelegt. Deshalb entwickeln Maschinenbauingenieure der ETH Zürich neue Computerprogramme. Der Nutzer zeichnet das gewünschte Produkt oder Bauteil und beschreibt dessen Eckdaten. Die Software liefert dann Vorschläge, wie das Objekt mittels additiver Herstellung optimiert werden könnte. So entstehen neue, effiziente Designs, die sich bisher noch niemand vorstellen konnte.

Neue Verbundstoffe
Solche Probekörper aus Metall und Keramik druckt die Empa, um Materialeigenschaften zu testen. Empa

Solche Probekörper aus Metall und Keramik druckt die Empa, um Materialeigenschaften zu testen. Foto: Empa

Auch in der Schweiz entwickeln Forscher neue Materialien für den 3-D-Druck, beispielsweise Verbundwerkstoffe aus Titan und Keramik oder aus Bronze und Diamant. Letztere herzustellen, war bisher sehr schwierig, weil sich Diamanten bei Berührung mit heissem, flüssigem Metall meist auflösen. Forschern der Empa und der ETH Zürich ist die Herstellung solcher Komposite nun mithilfe eines Laserschmelzverfahrens gelungen. Dabei verflüssigt der Laser ein Gemisch aus Metallpulver und Diamanten nur punktuell. Das geschmolzene Gemisch erstarrt in Sekundenbruchteilen wieder. Durch die Geschwindigkeit des Prozesses verbinden sich die Diamanten zwar mit dem Metall, bleiben aber intakt. Künftig könnten auf diese Weise neuartige Schleifwerkzeuge hergestellt werden.

Vertrackte Rechtslage

Ein Hersteller haftet für die Zuverlässigkeit und Sicherheit seiner Produkte. Wer aber ist «Hersteller», wenn der Kunde das Produkt ausdruckt? Denn das ist beim 3-D-Druck möglich. Kunde könnte eine Privatperson, aber auch eine Firma sein, die den Bauplan für ein Flugzeugersatzteil erhält und in einem additiven Verfahren selbst herstellt. «Bei einem Schadenfall könnte der Lieferant der 3-D-Bauanleitung die Haftung ablehnen», vermutet der auf Technologierecht spezialisierte Anwalt Daniel Ronzani. Stattdessen könnte er eine fehlerhafte Produktion geltend machen. Also müsste der Endkunde beweisen, dass er das richtige Material und den richtigen Drucker verwendet hat. Wer hier schliesslich haftet, ist momentan noch unklar.

 

Claudia Hoffmann 

 

 


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