Als Markus Affolter, 50, seine Frau Pascale zum ersten Mal traf, fragte sie ihn, was sein Ziel im Leben sei. Er erklärte ihr, dass er zum Beispiel herausfinden wollte, warum die Nase in einem Gesicht immer am gleichen Ort wächst. Er wolle verstehen, wie aus einer linearen Information, der genetischen Information auf dem DNA-Faden, eine dreidimensionale Form entstehe.
Markus Affolter sagt heute zwar, dass seine damalige Antwort seine Frau nicht besonders beeindruckt habe. Mittlerweile ist das Paar aber über 20 Jahre verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Frau arbeitet als Steuerexpertin, er ist Professor für Entwicklungsbiologie an der Universität Basel und noch immer fasziniert von ähnlichen Fragen wie damals.
Herr Affolter, wo gingen Sie zur Schule?
Ich ging auf die Kantonsschule in Aarau. Dort wird den Schülerinnen und Schülern stets erzählt, dass auch Albert Einstein auf diese Schule ging. Das hat mich beeindruckt, ich fühlte mich privilegiert und sagte mir: Dann mach ich etwas daraus.
Wie wichtig waren Lehrpersonen bei Ihrer späteren Berufswahl?
«Eine interessante Lesung ist aufwendig, aber sie zahlt sich aus.»
Sehr wichtig. Einer der Gründe, warum ich Biologie und nicht etwa Chemie oder Physik studiert habe, war mein toller Biologielehrer am Gymnasium. Heute, als Professor, versuche ich, das zurückzugeben und ebenfalls ein guter Lehrer zu sein. Ich versuche stets, interessante Vorlesungen zu halten. Das ist aufwendig in der Vorbereitung, aber es zahlt sich aus, wenn ich die Studenten für ein Fach begeistern kann.»
Derzeit gibt es in der Schweiz in den Naturwissenschaften zu wenig Nachwuchs. Denken Sie, dass das mit den fehlenden Vorbildern zusammenhängt?
Das ist sicher ein wichtiger Aspekt. Aus dem Sport kennt man viele Vorbilder, Roger Federer oder verschiedene Fussballer. Da können Kinder und Jugendliche sagen: Das will ich auch mal werden. In den Naturwissenschaften gibt es zwar auch Vorbilder, aber man kennt sie in der breiten Öffentlichkeit nicht.
Wo haben Sie studiert?
Ich habe zunächst zwei Jahre Biologie an der ETH Zürich studiert, dann reiste ich nach Kanada. Meine damalige Freundin war Kanadierin und da sie aufgrund ihres Zahnmedizinstudiums nicht einfach wegkonnte, habe ich beschlossen, zu ihr zu fahren. In Kanada habe ich den Master und die Doktorarbeit gemacht. Die Universität, die ich besuchte, war vielleicht nicht die renommierteste, ich war aber ein engagierter Schüler und das wurde von den Professoren geschätzt. Entsprechend wurde ich gefördert. Wenn sich jemand Zeit nimmt, dann schenkt man ihm auch Zeit.
Wo zog es Sie hin, nachdem Sie Ihren Doktortitel in der Tasche hatten?
«Wer wirklich will und weiss, wohin er möchte, der soll nicht aufgeben.»
Ich war fasziniert von den Forschungen von Walter Gehring, der damals in Basel lehrte. Ich wollte unbedingt in seinem Labor arbeiten. Obwohl Gehring mir zunächst eine Absage erteilte, habe ich insistiert und schliesslich bekam ich eine Stelle. Das ist übrigens ein Rat, den ich jedem engagierten Nachwuchsforscher geben kann: Wer wirklich will und weiss, wohin er möchte, der soll nicht aufgeben.
Heute sind Sie Professor für Entwicklungsbiologie. Womit beschäftigt sich Ihre Arbeitsgruppe derzeit?
Uns beschäftigt etwa die Frage, wie Gefässe entstehen. Wenn Gefässe wachsen, dann sind Kräfte im Spiel. Entweder schieben die Zellen von hinten die vorderen an der Spitze des Gefässes an oder die vorderen ziehen die hinteren hinterher. Es stellt sich die Frage: Wird gestossen? Oder gezogen? Mit verschiedenen Experimenten versuchen wir herauszufinden, was stimmt.
Sie benützen dazu die Technik des Life Imaging. Was muss man sich darunter vorstellen?
Mit dieser Technik kann man im lebenden Organismus beobachten, wie etwas entsteht und wächst. Mit Experimenten können wir Fakten zusammentragen, aber ein Film ist aufschlussreicher. Es ist wie bei einem Mordfall. Oft gibt es verschiedene Indizien, die auf den Täter hinweisen. Aber erst wenn ich eine Filmaufnahme finde, auf dem die Tat eindeutig zu sehen ist, ist der Täter überführt.
Was für Hobbys pflegen Sie?
Ich segle gerne. Manchmal verbinde ich das Segeln mit der Arbeit: Mein Lieblingsmeeting, eine Konferenz zur Fruchtfliege Drosophila, findet alle zwei Jahre auf Kreta statt, in Kolymbari. Schon mehrmals bin ich mit Freunden vom griechischen Festland nach Kreta zur Konferenz gesegelt. Auf dem Boot kann ich neue Ideen sammeln.
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