«Meine Eltern kamen aus armen Verhältnissen. Ihnen war klar, dass man mit einer guten Ausbildung ein besseres Leben führen kann.»
Herr Piali, woher stammt Ihre Begeisterung für die Biologie?
Da muss ich etwas ausholen. Meine Eltern sind Mitte der 50er-Jahre aus Norditalien in die Schweiz eingewandert und fanden ein neues Zuhause bei einer Witwe – einer gebildeten Dame, die in einer Villa inklusive umfangreicher Bibliothek auf dem Bruderholz in Basel wohnte. Mein Vater arbeitete als Gärtner, meine Mutter war die Hausangestellte. Im Garten der Villa habe ich meine ersten Schritte Richtung Biologie unternommen, habe den Fischteich studiert, die Vögel beobachtet, Steine umgedreht.
Dieser Garten war das Fundament für meine spätere Laufbahn. Ich habe dort das Wichtigste trainieren können, was ein Forscher braucht: Neugier. Auf dem Bruderholz habe ich auch etwas Anderes entdeckt: Ehrgeiz. Für die Witwe war immer wichtig, dass ihre Enkel später studieren wurden. Das hat den Ehrgeiz in mir geweckt, und heute haben sowohl mein Bruder als auch ich einen Doktortitel.
Haben Ihre Eltern Sie gefördert?
Meine Eltern kamen aus armen Verhältnissen, heute wurde man sagen ‹aus bildungsfernen Schichten›. Sie haben sich aber rasch an die neuen Verhältnisse in der Schweiz angepasst, zum Beispiel innerhalb weniger Monate Deutsch gelernt. Meine Eltern haben stets hart gearbeitet und das auch von uns Kindern erwartet. Sie haben mich weder zu einem Studium gedrängt, noch davon abgehalten. Für sie war vor allem wichtig, dass wir ein besseres Leben als sie fuhren sollten. Es war ihnen klar, dass man dies mit einer guten Bildung erreichen kann.
Als Sie 16 Jahre alt waren, erkrankte Ihre Mutter an einer seltenen Autoimmunerkrankung. Inwiefern hat Sie das geprägt?
Das hat mich natürlich stark geprägt. Ich habe mich in der Folge über die Krankheit meiner Mutter informiert. Das brachte mich zur Immunologie, denn Autoimmunerkrankungen entstehen, wenn das Immunsystem nicht mehr richtigfunktioniert und beginnt, Teile des eigenen Körpers anzugreifen.
«Wie kann man Leiden verhindern?»
Vor allem die Leber meiner Mutter war davon betroffen – sie starb im Alter von 50 Jahren. Und ich kam nicht mehr von der Immunologie los – sie fasziniert mich noch heute täglich aufs Neue. Ich habe meine Doktorarbeit auf dem Gebiet der Immunologie gemacht, heute bin ich Leiter der präklinischen Immunologie bei Actelion. Seit der langen Krankheit und dem Tod meiner Mutter habe ich mir zudem immer wieder die Frage gestellt: Wie kann man solches Leiden verhindern?
Um diese Frage zu beantworten, hätten Sie eher Medizin und nicht Biologie studieren müssen.
Stimmt, das habe ich aber nie ernsthaft in Betracht gezogen, denn die Medizin arbeitet meines Erachtens sehr oft mit Wahrscheinlichkeiten. Das liegt mir nicht. In der Biologie geht es mehr um Genauigkeit. Die Arbeit mit klinisch relevanten Fragestellungen war mir aber immer wichtig, ich habe darum mehrere Jahre am Kinderspital in Basel gearbeitet. Und auch bei meiner jetzigen Arbeit steht der zukünftige Patient im Fokus.
Ein anderes wichtiges Ereignis in Ihrem Leben war die Geburt Ihres Sohnes Alex.
Alex kam im Jahre 2001 auf die Welt, mit Downsyndrom und einem Herzfehler. Später diagnostizierten die Ärzte zudem einen Lungenhochdruck.
«Ich will Medikamente entwickeln, die schweres Leid abwenden können.»
Die Ironie der Geschichte ist, dass mein Sohn nun genau das Medikament braucht, das mein Arbeitgeber Actelion herstellt. Vor fünf Jahren erklärten die Ärzte, dass mein Sohn noch maximal ein Jahr zu leben habe. Zeitweise hing sein Leben an einem seidenen Faden. Heute ist er acht Jahre alt. Dank der neuen Medikamente hat sich seine Prognose stark verbessert. Dieses Erlebnis beweist mir, dass man mit Forschung und Pharmazeutika das Leben schwer kranker Menschen verbessern kann. Mein berufliches Ziel ist es, mit meiner Arbeit Medikamente zu entwickeln, die schweres Leid von Betroffenen und deren Familien abwenden können.
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