Wenn Helma Wennemers gefragt wird, welchen Beruf sie ausübe und dann entgegnet: «Ich bin Professorin für Chemie», so sind viele überrascht. ein Kommentar, den Wennemers oft hört, lautet: «Sie sehen gar nicht so aus.» Das Bild, das manche Menschen haben, wenn sie an eine Professorin für Chemie denken, deckt sich offenbar nicht mit dem Bild von Helma Wennemers. Höchste Zeit, mit falschen Vorstellungen aufzuräumen.

 

Helma Wennemers hat in Frankfurt Chemie studiert, in New York doktoriert und zwei Jahre in Nagoya, Japan, geforscht. «Die japanische Kultur kennen zu lernen, war faszinierend. Die Chemie ist überall auf der Welt die gleiche, die Kulturen hingegen unterscheiden sich stark.» Seit zehn Jahren arbeitet sie an der Universität Basel im Bereich Peptidchemie. Die Forscherin hat über die Jahre viele Preise erhalten, unter anderem eine Stiftungsprofessur der Firma Bachem. Wenn sie über ihren Beruf erzählt, spürt man die Begeisterung: «Forschung macht Spass.»

 
Wennemers bezeichnet sich selbst als «Spätzünderin» und «Anti-Frühaufsteherin». Spätzünderin, weil sie erst mit 19 Jahren begann, sich für Chemie richtig zu interessieren. «Meine Chemielehrer in der Schule waren leider nicht besonders überzeugend.» Anti-Frühaufsteherin, weil sie ihre Vorlesungen am Morgen lieber um 10 Uhr als um 8 Uhr beginnt. «Das ist besser für mich und für die Studenten», sagt sie und lacht. Dafür ist sie abends oft länger im Büro, wenn in den anderen Räumen schon längst kein Licht mehr brennt. Ihr Partner ist ebenfalls Forscher und wohnt in Tübingen.

Frau Wennemers, warum haben Sie sich für Chemie entschieden?

Wennemers

Ich wollte die Natur besser verstehen. Chemiker denken auf der Ebene der Moleküle, wodurch ein Verständnis der Natur in einer Tiefe möglich wird, wie in keiner anderen Wissenschaft. Da Chemiker in der Lage sind, Verbindungen herzustellen, die in der Natur nicht vorkommen, gibt es viel Spielraum für Kreativität.

Was sind die Vorteile, wenn man an einer Hochschule arbeitet?

Hochschulforscher haben viele Freiheiten, um ihre eigenen Forschungsprojekte aufzubauen und zu verfolgen. Ich bin als Professorin frei, meine Projekte zu wählen. Mehr Freiheit bedeutet aber auch mehr Verantwortung.

Wie würden Sie Ihren Job beschreiben?

Er ist sehr abwechslungsreich: Ich leite ein Team von derzeit 14 Mitarbeitern, bespreche mit ihnen die Forschungsergebnisse, gebe Vorlesungen, halte Vorträge über unsere Forschung an Kongressen, schreibe Publikationen, treibe Forschungsgelder auf und nicht zuletzt betreue ich ausländische Wissenschaftler, welche die Universität Basel besuchen und ihre Forschung vorstellen.

Warum sollte man Chemie studieren?

Um die Natur besser zu verstehen und seine Kreativität auszuleben. Etwas Besonderes am Chemiestudium ist die Abwechslung zwischen Theorie und Praxis. Die gelernte Theorie kann man gleich in praktischen Übungen anwenden.

Was muss man mitbringen für ein Chemiestudium?

Grundsätzlich fangen wir bei Null an. Es geht dann aber rasch vorwärts. Persönlich sollte man mehrere Eigenschaften mitbringen: Begeisterung für das Fach und den Willen, auch mal eine Durststrecke zu überbrücken. Vor allem sollte man aber wissen oder schnell erlernen, wie man selbstständig arbeitet. Im Studium gibt es keine Lehrer mehr, die Hausaufgaben geben und kontrollieren. Jeder muss selbst wissen, ob er alles verstanden hat.

In den Naturwissenschaften sind Professorinnen die Ausnahme. Wie ist es, als Frau in der Forschung zu arbeiten?

Damit hatte ich nie Probleme. Als ich in New York meine Doktorarbeit gemacht habe, war ich am Anfang die einzige Frau im Labor. Nach einigen Wochen kamen meine männlichen Kollegen zu mir und sagten, seit ich hier sei, sei der Umgangston viel besser geworden, freundlicher, nicht mehr so ruppig wie früher.


Was für Möglichkeiten haben Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler nach dem Studium?

Pharma- und Biotechindustrie: Viele Chemiker und Biologen arbeiten nach dem Studium oder der Doktorarbeit in der Industrie, in Grossunternehmen wie Roche und Novartis, aber auch in kleinen und mittelgrossen Unternehmen.
 
Chemie: Die schweizerische chemische Industrie hätte jährlich rund 240 Chemikern einen guten Job anzubieten. Jedes Jahr verlassen aber nur etwa 210 Chemiker eine Hochschule.
 
Professur: Doktoranden haben die Möglichkeit, an der Hochschule zu bleiben und eine Professur anzupeilen.
 
Schule: Nach einer entsprechenden pädagogischen Weiterbildung können Naturwissenschafter an Gymnasien unterrichten.
 
Beratung: Unternehmensberatungsfirmen wie Accenture, Boston Consulting Group oder McKinsey suchen immer wieder nach Naturwissenschaftlern und schätzen ihre klare Denkweise.
 
Start-up: Absolventen können eine eigene Firma gründen, ein so genanntes Start-up. Dazu braucht es neben einer guten Idee natürlich Unternehmergeist.
 
Medien: Es gibt die Möglichkeit, sich im Bereich Medien weiterzubilden und beim Radio, beim Fernsehen oder bei der Presse einzusteigen.
 
Forensik/Kantonschemiker: In der Rechtsmedizin, in so genannten forensischen Labors, werden Naturwissenschafter gebraucht (Stichwort «CSI Miami»). Auch kantonale Laboratorien, die unter anderem für die Lebensmittelkontrollen zuständig sind, suchen immer wieder gute Chemiker (Kantonschemiker).
 
 


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