ENERGIE Nicht nur Strom, sondern auch Brennstoffe zum Heizen und Autofahren sollen künftig aus Solarenergie erzeugt werden. Dazu wollen Forscher die Art der Energiegewinnung von Pflanzen imitieren.

Lebendige Kraftwerke: Bäume und andere Pflanzen können Sonnenlicht mühelos speichern – eine Inspiration für Forscher, die das Prinzip nachahmen wollen. Panther Media

 

Solaranlagen, die Strom und warmes Wasser liefern, sind heute Alltag. Doch sie sind nur der erste Schritt zur Lösung der Energieprobleme. Denn satte drei Viertel des globalen Energieverbrauchs gehen auf das Konto von Brennstoffen wie Erdöl, Kohle und Erdgas, mit denen wir Häuser heizen, Auto fahren und in die Ferien fliegen. Bei der Verbrennung entsteht CO2, das die Klimaerwärmung vorantreibt. Nun wollen Wissenschaftler mithilfe von Sonnenenergie auch für diese wichtigen Kraftstoffe einen sauberen Ersatz bereitstellen.

 

Die Natur als Vorbild

Pflanzen, Algen und einige Bakterien machen es vor: Sie nutzen Sonnenlicht, um daraus ihre eigene speicherfähige Form von Energie zu produzieren, nämlich Zucker. Dieser Vorgang heisst Fotosynthese und inspiriert die Forscher: «Chemische Substanzen als Energieträger haben viele Vorteile», sagt Andreas Borgschulte von der Materialforschungsanstalt Empa in Dübendorf. «Sie lassen sich leichter speichern als Strom und ebenso problemlos transportieren.» Borgschulte ist am Forschungsschwerpunkt Light-Ch-EC der Universität Zürich beteiligt. Ziel ist die Entwicklung der sogenannten künstlichen Fotosynthese – ein technisches Verfahren, um aus Sonne und Wasser zunächst Wasserstoff zu gewinnen. Diesen kann man in Brennstoffzellen verbrennen, um beispielsweise Autos anzutreiben und Wohnungen zu heizen (siehe Grafik).

Pflanzen wandeln Sonnenlicht in speicherbare Energie (Zucker) um (links). Ähnlich der künstliche Prozess (rechts): Aus Wasser entsteht Wasserstoff, der in Brennstoffzellen z.B. Autos antreibt.
Oder er wird weiterverarbeitet zu Methangas, das in bestehende Netze eingespeist werden kann. Dissoid.com

 

Jedoch hat Wasserstoff einen Makel: Noch fehlt ein flächendeckendes Netz, um ihn zu speichern und Autos damit zu betanken. Dieses Problem wäre zu lösen, indem man den Wasserstoff mit CO2 zu Methangas weiterverarbeitet. Auch Methan ist ein vielfach einsetzbarer Kraftstoff und hat den Vorteil, dass man es heute schon in das bestehende Gasnetz einspeisen und in Tanks lagern kann. «So wäre überschüssige Sonnenenergie durch die Umwandlung zum Gas auch im Winter verfügbar», sagt Andreas Borgschulte. An solchen Power-to-Gas-Anlagen wird bereits auch in der Schweiz geforscht. Pilotanlagen gibt es am Paul-Scherrer-Institut (PSI) und an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR).

 

In der Praxis ist man jedoch noch weit davon entfernt, Kraftstoffe nach dem Vorbild der Natur zu wettbewerbsfähigen Preisen herzustellen. Die erste grosse Hürde liegt bei der Spaltung von Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff. Denn Wassermoleküle sind sehr stabil. Um sie zu zerlegen, setzt man meist auf die sogenannte Elektrolyse – die Spaltung des Wassers mittels elektrischen Stroms, etwa aus Solar- oder Windkraft. Aber laut Borgschulte ist auch die Trennung von Stromerzeugung und Wasserspaltung langfristig nicht die beste Lösung. Effizienter wäre es, in ein und derselben An-lage die Sonnenkraft einzufangen und das Wasser zu spalten.

 

Ein Blatt aus dem Labor

Deshalb forschen die Light-Ch-EC-Forscher an Materialien, die sowohl Licht absorbieren als auch Wasser spalten können. Die Entwicklung solcher effizienteren «Multitasking-Stoffe» steckt erst in den Kinderschuhen. Ein Problem sind die Katalysatoren – Hilfsstoffe, die nötig sind, um das Wasser zu spalten.

 

Die natürlichen Katalysatoren in Pflanzen sind biologische Enzyme. Sie sind effizient und nutzen sich nicht ab, weil die Pflanzen sie dauernd regenerieren. «Die vom Menschen geschaffenen Katalysatoren sind hingegen noch nicht so raffiniert», sagt Chemiker Stenbjörn Styring von der Universität Uppsala, der seit über 20 Jahren die natürliche und die künstliche Fotosynthese erforscht. Obendrein sind die künstlichen Katalysatoren zu teuer, weil sie Edelmetalle wie Platin enthalten. Deshalb konzentriert sich die Suche der Forscher auf günstigere Stoffe, die auch lange genug durchhalten.

 

Immerhin erste Erfolge erzielt hat der US-Chemiker Daniel Nocera von der Harvard University: Bereits 2011 hat er im Labor ein wenige Quadratzentimeter grosses «künstliches Blatt» gebaut. Wenn man dieses in Wasser taucht und mit Licht bescheint, produziert es Wasserstoff – ein erster künstlicher Fotosynthese-Apparat. Dieser besteht aus einer Siliziumfolie, die mit Katalysatoren aus günstigen Materialien beschichtet ist. Allerdings bringt er vorerst nur 10 Prozent der eingefangenen Sonnenenergie in den Wasserstoff.

 

CO2 aus der Luft filtern

«Theoretisch lassen sich mit diesem Ansatz bis zu 30 Prozent erreichen», sagt die Chemikerin Simone Pokrant von der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes in Deutschland. Doch für Pokrant ist nicht die Effizienz, sondern die Einfachheit des Konzeptes ausschlaggebend. «Ein künstliches Blatt muss so einfach aufgebaut sein, dass man es in Quadratmeter- statt Quadratzentimeter-Grösse herstellen kann», sagt sie. Erst dann wäre eine kommerzielle Anwendung möglich. Sie glaube an den Erfolg der künstlichen Fotosynthese. Doch bis zum Durchbruch werde es wohl noch mindestens 20 Jahre dauern.

 

Bis das Konzept des künstlichen Blatts ausgereift ist, könnte man wie bisher auf die separate Stromerzeugung in Solar- oder Windkraftwerken mit anschliessender Elektrolyse zurückgreifen. Um jedoch die Pflanzen wirklich zu imitieren, müsste noch ein weiterer Schritt folgen: die Umwandlung des Wasserstoffs in eine leicht zu speichernde chemische Substanz wie Methangas. Dies wird ebenfalls in Power-to-Gas-Anlagen wie jenen am PSI und an der HSR untersucht. Woher das dafür nötige CO2 kommen könnte, zeigt die junge Zürcher Firma Climeworks. Sie will schon dieses Jahr eine kommerzielle Anlage fertigstellen, die das CO2 einfach aus der Luft filtert.

 

 

Leonid Leiva Ariosa 

 

 


Keine Kommentare

Comments are closed.