Gestank ist immer abstossend – sollte man meinen. Doch das stimmt nicht. Denn unsere Wahrnehmung von Gerüchen variiert je nach sozialer Situation.

 

Unangenehmen Gerüchen von ­Mitmenschen kann man häufig nicht ausweichen. Foto: Shotshop

Von manchen Dingen ist man einfach angewidert, ohne etwas dagegen tun zu können. So kann etwa der schweissige Gestank eines ungewaschenen Menschen starke Ekelgefühle auslösen.

 

Offenbar findet man aber einen solchen Geruch nicht immer gleicher­massen abstossend. Es kommt vielmehr darauf an, ob man sich mit der Person verbunden fühlt – und solch eine Verbundenheit kann man sogar gegenüber Unbekannten empfinden. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Studien britischer Wissenschaftler von den Universitäten St. Andrews und Sussex. Die Psychologen gingen der Frage nach, wie stark das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe das Ekelempfinden beeinflusst.

 

Dazu liessen sie Studierende an T-Shirts riechen, die eine Testperson beim Sport getragen hatte und die stark nach altem Schweiss stanken. Die ­Studierenden mussten anschliessend angeben, wie sehr sie der Geruch ekelte. In einer zweiten Studie mussten die Versuchsteilnehmer die getragenen T-Shirts sogar in die Hand nehmen. Hier wurde ihr Ekel daran gemessen, wie schnell im Anschluss und wie ausgiebig sie sich die Hände desinfizierten.

 

Fremde riechen stärker

Das variierte, je nachdem in welcher Rolle sich die Probanden sahen. «Fühlten sie sich mit dem vermeintlichen Träger des T-Shirts verbunden, empfanden sie den Geruch als weniger unangenehm», sagt Studienleiter John Drury. Dies war etwa der Fall, wenn sie vor dem Test darauf eingestimmt worden waren, sich als Vertreter ihrer Uni zu fühlen. Rochen sie dann an einem T-Shirt mit dem Logo der eigenen Uni, ekelten sie sich weniger davor. Sie liessen sich dann fast doppelt so lang Zeit, bevor sie sich die Hände desinfizierten, als beim T-Shirt mit dem Logo einer fremden Uni.

 

Dass man gegenüber nahestehenden Menschen weniger Abscheu empfindet als gegenüber Fremden, ist nicht überraschend. «Erstaunlich ist aber, dass ein Gefühl der sozialen Zugehörigkeit den Ekel auch gegenüber unbekannten Personen abschwächt», sagt Drury. So, wie es im Versuch der Fall war.

 

Das Ekelgefühl erfüllt eine wichtige Funktion: «Es schützt uns davor, dass wir uns mit gefährlichen Krankheiten anstecken», sagt Drury. Denn Erreger lauern vor allem in den Ausscheidungen und Körperflüssigkeiten anderer Menschen. Ekeln wir uns davor, halten wir automatisch Abstand.

 

«Dieses Verhalten hat aber auch negative Folgen», sagt der Psychologe. Denn wird die Abscheu vor anderen Menschen zu gross, können wir keine Gruppen bilden und nicht miteinander kooperieren. Durch Zusammengehörigkeitsgefühl – und sei es auch so abstrakt wie die Verbundenheit mit einer Uni – wird der Ekel abgeschwächt. Das erleichtert die Zusammenarbeit mit anderen.

 

Claudia Hoffmann 

 

 


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